Richard Serra beschreibt das Projekt in seinem Entwurf mit drei Sätzen: „Drei geschmiedete Blöcke auf gleicher Geländehöhe zu plazieren. Ihre vordere Kante weist in die Richtung der steilsten Neigung. Die oberen Flächen sind einander waagerecht angeglichen.“ Richard Serras grundsätzlicher Gedanke ist: “Ich möchte Räume konstruieren, die uns ein wenig mehr davon erfahren lassen, wer wir sind, damit wir alle anders werden können, als wir sind.“
Wenn man sich dem offenen, jederzeit zugänglichen Gelände des Staff Landschaftsparks aus der Alten Hansestadt Lemgo kommend nähert, schiebt sich plötzlich, mit jedem Schritt größer werdend, ein schwer wirkender, fast kubischer Block ins Blickfeld, der wie selbstverständlich und doch ganz unerwartet aus einer Anhöhe hervorzuwachsen scheint. Läßt man nun den Blick über die weite, in sanften Hügelschwüngen daliegende Landschaft streifen, erkennt man in einigen hundert Metern Abstand zwei weitere, dem zuerst gesehenen offenbar gleichartige Blöcke.
Sie stehen in einem zunächst noch nicht genau ersichtlichen, wohl aber deutlich spürbaren Verhältnis zueinander und bilden, trotz der relativ weiten Entfernung voneinander und ohne materiell miteinander verknüpft zu sein, eine Art Kraftfeld. Obwohl die drei annähernd würfelförmigen Blöcke weder das Gelände dominieren noch monumental wirken, haben sie doch eine enorme Präsenz und ziehen die Aufmerksamkeit eines Betrachters beharrlich auf sich. Als prägnante Setzung im Landschaftsraum regen sie dazu an, diesen von Block zu Block gehend zu durchschreiten. Mit jedem weiteren Schritt, von jedem neuen Standpunkt aus erschließen sich dabei neue Bezüge der Blöcke untereinander, der Blöcke zur Landschaft sowie der Landschaft und der Blöcke zum gehenden und sehenden Betrachter.
Steigen und Fallen, Öffnen und Verdichten des Raumes werden in einer Intensität erfahrbar, die ohne die Skulptur kaum vorstellbar wäre.
Im gehenden Nachvollzug läßt sich das der Skulptur zugrundeliegende Prinzip im wahren Wortsinn Schritt für Schritt verstehen: Die drei geschmiedeten Blöcke aus wetterfestem Stahl, jeweils 121 cm breit wie tief und 138 cm hoch sowie etwa sechzehn Tonnen schwer, sind auf einem imaginären, annähernd gleichschenkligen Dreieck auf einer gemeinsamen Höhenlinie angeordnet.
Die obere Fläche eines jeden Blockes ist dabei exakt waagerecht ausgerichtet, so daß man theoretisch eine riesige Platte auf die drei Skulpturenelemente legen könnte, die – in einem solchen gedanklichen Experiment – eine gleichmäßig horizontale Ebene inmitten der Hügellandschaft bilden würde.
In dem hügeligen Gelände, das im wesentlichen durch unregelmäßige, in teils jähen, teils sanften Schwüngen steigende und fallende Linien und Flächen charakterisiert ist, werden die Blöcke in ihrer strengen geometrischen Form zu Anhaltspunkten, bei denen der Blick des Betrachters, ähnlich wie sonst am Horizont, Vergewisserung sucht.
Paradoxerweise stellen die drei Skulpturenelemente im Zusammenspiel mit der Landschaft die Wahrnehmung jedoch zunächst in Frage. Zum einen läßt sich von vielen Standpunkten aus die Höhe der einzelnen Skulpturenelemente nicht sicher bestimmen. So wirkt beispielsweise der am weitesten westlich auf einer Hügelkuppe positionierte, sich mit seinen Konturen scharf vor dem Himmel abzeichnende Block von vielen Stellen aus deutlich höher als etwa der weiter östlich liegende Block, der, von Feldgehölzen umgeben, aus dem unteren Bereich einer relativ steil ansteigenden Blumenwiese hervorzuwachsen bzw. in ihr zu versinken scheint.
Zum anderen scheint im Zusammenhang mit den Unebenheiten des Geländes der Unterschied zwischen horizontalen bzw. vertikalen und schräg verlaufenden Linien je nach Standort nicht mehr sicher bestimmbar. Die waagerechten Oberkanten der Blöcke wirken inmitten der mit unterschiedlich ausgeprägtem Gefälle in alle Richtungen auseinanderstrebenden Linien des Geländes nicht mehr eindeutig horizontal, sondern, je nach Blickpunkt, einmal mehr und einmal weniger geneigt, jedoch nie fixierbar.
Bewegt man sich im Landschafts- und Skulpturenraum, so lassen sich erstaunliche Unterschiede zwischen der Fern- und Nahsicht der einzelnen Elemente feststellen. Aus einiger Entfernung sind es vor allem die Flächen bzw. die geraden Konturlinien der Stahlblöcke, die in ihrem irritierenden Zusammenwirken mit den unregelmäßigen Profillinien des Geländes die Wahrnehmung bestimmen.
Je mehr man sich jedoch einem der geschmiedeten Blöcke nähert, um so stärker nimmt man ihn in seiner wuchtigen Schwere und Massivität als Körper wahr, dem man sich selbst körperlich konfrontiert. Da die Skulpturenelemente ohne Sockel auf demselben Boden wie der Betrachter stehen, entwickelt sich zwischen Werk und Betrachter ein unmittelbares Verhältnis. Dabei zeigt sich, daß die Dimensionen der Blöcke auf die menschliche Augenhöhe bezogen sind. Die Skulpturenelemente stellen sich einem Betrachter nicht als Sichtbarrieren in den Weg, sondern erlauben es einem durchschnittlich großen Menschen, über jeweils einen Block hinwegschauend den Skulpturen-Landschafts-Raum zu überblicken.
Die Skulpturenelemente stellen sich einem Betrachter nicht als Sichtbarrieren in den Weg, sondern erlauben es einem durchschnittlich großen Menschen, über jeweils einen Block hinwegschauend den Skulpturen-Landschafts-Raum zu überblicken.
Erst in unmittelbarer Gegenüberstellung und mit Bezug auf den eigenen Körper läßt sich erkennen, daß die obere Fläche des quaderförmigen Blockes exakt waagerecht ausgerichtet ist und die Seitenkanten somit genau senkrecht verlaufen. Die zuvor erlebte Verunsicherung des Blickes ist wesentlich dadurch bedingt, daß die schweren Stahlblöcke, um exakt horizontale und auf einer gemeinsamen Höhenlinie liegende Oberkanten auszubilden, nicht mit ihrer gesamten Standfläche auf dem unebenen Boden stehen, sondern zum Teil in die hügeligen Wiesenflächen versenkt sind, so daß jeweils mindestens eine vertikale Kante und der untere Bereich der Seitenflächen teilweise verdeckt sind. Die tatsächliche, gleichmäßig geometrische Form der Blöcke vervollständigt sich somit erst in der Vorstellung des Betrachters, der zumindest einige Kanten und Flächen der Blöcke unverdeckt sehen kann.
Eine solche, zur Orientierung im Alltag ständig notwendige Leistung scheint angesichts der zuvor Schritt für Schritt erfahrenen Irritation des Blickes plötzlich nicht mehr selbstverständlich, sondern stellt sich als Ergebnis eines vielschichtigen Wahrnehmungsprozesses dar. Während die Nahsicht die Möglichkeit bietet, sich der aufrechtstehenden Rechtwinkligkeit jeweils eines der Blöcke zu vergewissern, bleibt diese für die jeweils anderen beiden, nun aus der Ferne gesehenen Elemente ungewiß. Von Block zu Block gehend erfährt man somit eine Diskrepanz zwischen dem im Moment Gesehenen und dem zuvor Erfahrenen, bereits Gewußten, wodurch der jeweilige Augenblick in großer Eindringlichkeit als bedeutsam erlebbar wird. Mit jedem weiteren Schritt, mit jeder Wendung des Blickes ergeben sich neue, jeweils einzigartige Ansichten, die das gerade im Moment Gesehene als nur eine von zahllosen Möglichkeiten erkennen und das zuvor Gesehene kaum noch in allen Einzelheiten erinnern lassen. Während bei einer traditionellen gegenständlichen Skulptur, etwa einem Reiterstandbild, bereits wenige Blicke genügen, um sich in der Vorstellung des Betrachters zu einem festumrissenen Gesamtbild zu fügen, bleibt bei Serras Lemgo Vectors die jeweilige Ansicht zwar nicht beziehungslos, wohl aber eigenwertig neben den vorhergehenden und folgenden Ansichten bestehen. Diese Vielzahl prinzipiell gleichwertiger Erscheinungsbilder, die aufeinanderfolgen, ohne sich zu einer allein gültigen Gesamtansicht zusammenzufügen, ist um so erstaunlicher, als der Skulptur eine an sich einfache Konstellation aus drei gleichen, geometrisch geformten Elementen zugrunde liegt.
Der in sich geschlossenen, faßbaren Würfelgestalt der einzelnen Elemente steht somit die Unabgeschlossenheit beziehungsweise Unabschließbarkeit der Wahrnehmung des skulpturalen Ensembles in der Landschaft gegenüber.
Bewegt man sich im Landschafts- und Skulpturenraum, so lassen sich erstaunliche Unterschiede zwischen der Fern- und Nahsicht der einzelnen Elemente feststellen. Aus einiger Entfernung sind es vor allem die Flächen bzw. die geraden Konturlinien der Stahlblöcke, die in ihrem irritierenden Zusammenwirken mit den unregelmäßigen Profillinien des Geländes die Wahrnehmung bestimmen. Je mehr man sich jedoch einem der geschmiedeten Blöcke nähert, um so stärker nimmt man ihn in seiner wuchtigen Schwere und Massivität als Körper wahr, dem man sich selbst körperlich konfrontiert.
Da die Skulpturenelemente ohne Sockel auf demselben Boden wie der Betrachter stehen, entwickelt sich zwischen Werk und Betrachter ein unmittelbares Verhältnis. Dabei zeigt sich, daß die Dimensionen der Blöcke auf die menschliche Augenhöhe bezogen sind.
Die Skulpturenelemente stellen sich einem Betrachter nicht als Sichtbarrieren in den Weg, sondern erlauben es einem durchschnittlich großen Menschen, über jeweils einen Block hinwegschauend den Skulpturen-Landschafts-Raum zu überblicken.
Erst in unmittelbarer Gegenüberstellung und mit Bezug auf den eigenen Körper läßt sich erkennen, daß die obere Fläche des quaderförmigen Blockes exakt waagerecht ausgerichtet ist und die Seitenkanten somit genau senkrecht verlaufen. Die zuvor erlebte Verunsicherung des Blickes ist wesentlich dadurch bedingt, daß die schweren Stahlblöcke, um exakt horizontale und auf einer gemeinsamen Höhenlinie liegende Oberkanten auszubilden, nicht mit ihrer gesamten Standfläche auf dem unebenen Boden stehen, sondern zum Teil in die hügeligen Wiesenflächen versenkt sind, so daß jeweils mindestens eine vertikale Kante und der untere Bereich der Seitenflächen teilweise verdeckt sind. Die tatsächliche, gleichmäßig geometrische Form der Blöcke vervollständigt sich somit erst in der Vorstellung des Betrachters, der zumindest einige Kanten und Flächen der Blöcke unverdeckt sehen kann.
Eine solche, zur Orientierung im Alltag ständig notwendige Leistung scheint angesichts der zuvor Schritt für Schritt erfahrenen Irritation des Blickes plötzlich nicht mehr selbstverständlich, sondern stellt sich als Ergebnis eines vielschichtigen Wahrnehmungsprozesses dar. Während die Nahsicht die Möglichkeit bietet, sich der aufrechtstehenden Rechtwinkligkeit jeweils eines der Blöcke zu vergewissern, bleibt diese für die jeweils anderen beiden, nun aus der Ferne gesehenen Elemente ungewiß. Von Block zu Block gehend erfährt man somit eine Diskrepanz zwischen dem im Moment Gesehenen und dem zuvor Erfahrenen, bereits Gewußten, wodurch der jeweilige Augenblick in großer Eindringlichkeit als bedeutsam erlebbar wird. Mit jedem weiteren Schritt, mit jeder Wendung des Blickes ergeben sich neue, jeweils einzigartige Ansichten, die das gerade im Moment Gesehene als nur eine von zahllosen Möglichkeiten erkennen und das zuvor Gesehene kaum noch in allen Einzelheiten erinnern lassen.
Während bei einer traditionellen gegenständlichen Skulptur, etwa einem Reiterstandbild, bereits wenige Blicke genügen, um sich in der Vorstellung des Betrachters zu einem festumrissenen Gesamtbild zu fügen, bleibt bei Serras Lemgo Vectors die jeweilige Ansicht zwar nicht beziehungslos, wohl aber eigenwertig neben den vorhergehenden und folgenden Ansichten bestehen.
Diese Vielzahl prinzipiell gleichwertiger Erscheinungsbilder, die aufeinanderfolgen, ohne sich zu einer allein gültigen Gesamtansicht zusammenzufügen, ist um so erstaunlicher, als der Skulptur eine an sich einfache Konstellation aus drei gleichen, geometrisch geformten Elementen zugrunde liegt. Der in sich geschlossenen, faßbaren Würfelgestalt der einzelnen Elemente steht somit die Unabgeschlossenheit beziehungsweise Unabschließbarkeit der Wahrnehmung des skulpturalen Ensembles in der Landschaft gegenüber.
Die Eigenständigkeit der jeweiligen Erscheinungsbilder der Skulptur ist wesentlich dadurch bedingt, daß die Skulptur, anders als ein traditionelles bildhauerisches Werk, keine definierte Vorder- oder Rückansicht bietet und somit ihrem Betrachter auch keinen privilegierten oder gar idealen Standort zuweist. Wer sich in dem skulpturalen Raum bewegt, folgt daher auch keinem durch das Werk vorgegebenen Weg, sondern kann und muß, auf die eigene Urteils- und Entscheidungsfähigkeit angewiesen, seinen jeweiligen Standort und die Richtung, in der er sich weiterbewegt, selbst bestimmen. Dadurch eröffnet die Skulptur dem Betrachter die Möglichkeit, sich selbst als bewegliches Zentrum des Werkes zu begreifen, durch dessen aktive Wahrnehmung sich die Skulptur erst zu einem sinnvollen Ganzen fügt. Auf diese Weise ermöglicht die Skulptur nicht zuletzt auch ein Erlebnis von Freiheit, denn jeder einzelne Betrachterstandpunkt läßt sich als frei gewählt und individuell erlebbar verstehen. Dieses Erlebnis von Freiheit kann mit einem gesteigerten Bewußtsein für die persönlich zu tragende Verantwortung, die in jeder neuen Entscheidung liegt, einhergehen.
Darüber hinaus vermittelt sich dem Betrachter durch die kumulative, sich nach und nach verdichtende Erfahrung des Werkes nicht nur ein intensives Verhältnis zu dem Raum, den er durchschreitet, sondern auch zu der Zeit, in der er das Zusammenwirken von Landschaft und Skulptur wahrnimmt. Zeit wird dabei nicht in meditativer Versunkenheit, sondern als Moment erhöhter Konzentration spürbar. Indem man Zeit als Verdichtung erlebt, wird die eigene Präsenz im Sinne von „gerade jetzt hier sein“ spürbar.
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Richard Serra Lemgo Vectors
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